MKE T94 SD

MP5SD – Meilenstein des Waffenbaus

Im Open Source Magazin für Waffenanwender veröffentlichte Henning Hoffmann in der Ausgabe 41 der Zeitschrift “Die Waffenkultur” 2018 einen Bericht über die türkische Zivilkopie der legendären MP5SD. Wir wollen Euch diesen Artikel nicht vorenthalten und geben ihn unverändert wieder.


Die Behördenausführung der MKE T94 SD brachte es unter dem Name MP5 SD zu Weltruhm. Spezialeinheiten weltweit haben die schallgedämpfte MP5 in ihren Arsenalen stehen. Die Zivilversion unterscheidet sich nur in wenigen Details von ihrer berühmten Schwester.

Im Grundaufbau ist die T94 SD mit ihrer Behördenschwester MP5 SD nahezu identisch. Äusserlich deuten bestenfalls die Beschriftung des Feuerwahlhebels oder die Stanzungen auf dem Waffengehäuse auf eine Zivilversion hin. Im Inneren arbeitet demzufolge auch der bekannte Rollenverschluss, der das Markenzeichen aller Rückdrucklader aus dem Hause Heckler & Koch ist. Im Gegensatz zu anderen Maschinenpistolen-Konzepten, bei denen nur auf hohe Feuerkadenz bei kürzesten Distanzen sowie einfachste, fast schon spartanische, Konstruktion gesetzt wurde, gingen die Konstrukteure der MP5 bewusst andere Wege. Von Beginn an war die MP5 als ein Maschinenkarabiner für den präzisen Einzelschuss konzipiert, mit dem aber auch Feuerstösse geschossen werden konnten. Der technisch ausgereifte Rollenverschluss und die präzise Visiereinrichtung untermauern diesen Gedanke.

MKE T94SD

Der Rollenverschluss

Um es technisch korrekt zu beschreiben: Die T94 SD ist ausgeführt als ein Rückstosslader mit beweglich abgestütztem Rollenverschluss. Charakterisiert man das Rollenverschluss-System nach den vier Kriterien: Verriegelungselement, Übertragungsglied, Entriegelungsart und Verschlussantriebsart, gehört das Rollenverschluss-System von Heckler & Koch zur Familie der kraftschlüssigen dynamischen Masseverschlüsse. Die zwei symmetrisch wirkenden Rollen sind das verbindende Element zwischen dem Waffengehäuse und dem Verschlusskopf, sie sind daher auch das so genannte Übertragungsglied. Die Entriegelung erfolgt mittels Eigenantrieb durch den direkt wirkenden Rückstoss (Gasdruck) und die Verschlussantriebsart erfolgt durch die kinetische Restenergie der Massen und die Gasnachwirkung durch den Rest-Eigengasdruck. Der Kraftschluss wird über die beiden Rollen am Verschlusskopf hergestellt, welche durch den Druck der Schliessfeder in die korrespondierenden Aussparungen im Gehäuseinneren gedrückt werden. Aufgrund der Gasdruckentwicklung nach Zündung der Treibladung bewegt sich der Verschlusskopf sofort geradlinig nach hinten. Er drückt die zwei Rollen zurück. Dabei wird der schwerere Verschlussträger zurückgeschleudert und erhält eine höhere Rücklaufgeschwindigkeit als der leichtere Verschlusskopf. In hinterster Stellung angekommen, werden die Verschlussteile durch die Schliessfeder wieder in ihre Ausgangslage zurückgebracht. Die Waffe ist bereit für einen neuen Feuerzyklus.

Verschlussmasse

Diese Konstruktion ermöglicht es, die Verschlussmasse wesentlich geringer zu halten, als bei reinen Masseverschlüssen. Das wird gemeinhin als grösster Vorteil des Rollenverschluss angesehen, weil sich während des Schiessens in der Waffe weniger Masse in Bewegung befindet und sie dadurch ruhiger liegt. Wegen des separaten Schlagstücks im Rollenverschluss wird diesen Waffen auch eine relativ höhere Eigenpräzision zugesprochen. Als Nachteile werden oft genannt: Der hohe technologische Aufwand in der Produktion und die damit einhergehenden hohen Fertigungskosten sowie ein erhöhter Reinigungsaufwand. Ersteres dürfte für den zivilen Endanwender bedeutungslos sein. Gegen den zweiten Einwand spricht die Praxiserfahrung: Weder eine MP5 noch das G3 haben einen wesentlich höheren Reinigungsaufwand als vergleichbare Selbstlade bzw. Schnellfeuerwaffen. Auch das G3 im Kaliber 7,62×51 besitzt einen beweglich abgestützten Rollenverschluss. Am Beispiel des G3 wird die erzielbare Masseersparnis besonders deutlich: Wollte man für die Patrone 7.62×51 eine Waffe mit reinem Masseverschluss bauen, würde allein der Verschlussblock etwa elf Kilogramm wiegen. Mitunter wird das Prinzip des beweglich abgestützten Rollenverschluss in der Fachliteratur auch als übersetzter Masseverschluss oder verzögerter Masseverschluss bezeichnet.

Patronenlager

Im Patronenlager der T94 SD befinden sich – ebenso wie beim G3 – Gasdruckentlastungsrillen. Der Verschlussrücklauf beginnt schon, wenn das System noch unter Gasdruck steht. Die im Patronenlager angebrachten Längsrillen verringern den Reibungswiderstand der durch die Liderungskräfte der Patronenhülse entsteht. Sie mindern die Gefahr der Hülsenliderung und vermeiden somit das Reissen der Patronenhülse.

Der Verschlusskopf in seiner verriegelten Position. Die Rollen drücken sich seitlich in die korrespondierenden
Aussparungen des Blechprägegehäuses
Werden die Rollen beim Verschlussrücklauf in den Verschlusskopf gedrückt, wird das Steuerstück auf eine
höhere Rücklaufgeschwindigkeit beschleunigt

Gehäuse und Visiereinrichtung

Die Hauptbaugruppe – das Gehäuse – ist im Blechprägeverfahren hergestellt. Die Waffe lässt sich durch Herausdrücken nur eines Haltbolzens zwischen Gehäuse und Schulterstütze zerlegen. Die Schulterstütze kann nach hinten abgezogen und das Griffstück mit Abzugs- und Sicherungseinrichtung nach unten abgenommen werden. Der Verschlussträger inklusive Schliessfeder lässt sich jetzt ebenfalls nach hinten entnehmen. Zum Gehäuse gehören der starre Lauf mit integriertem Schalldämpfer und dem darüber befindlichen Durchladerohr und Spannschieber sowie die Visiereinrichtung. Das drehbare Trommelvisier ist Heckler & Koch typisch mit vier Lochdiopterbohrungen ausgeführt. Eine entfernungsabhängige Visierverstellung ist nicht möglich. Die zwischen zwei Millimeter und vier Millimeter grossen Diopterbohrungen dienen lediglich der Vergrösserung bzw. Verkleinerung des Visierbilds, oder können den Lichtverhältnissen der Umgebung angepasst werden.
Die Visierlinie liegt etwa 55 Millimeter über der Laufseele. Nutzt der Schütze die offene Visierung der Standardausführung, ist eine Einschiessentfernung von 25 Meter zu weit gegriffen. Durch das relativ geringe Offset wird die Flugbahn zu flach und aufgrund der relativ geringen Anfangsgeschwindigkeit ist der Flugbahnabfall schon jenseits der 80 Meter zu gross. Es empfiehlt sich daher, die Waffe auf 15 Meter Fleck einzuschiessen. Ein acht Gramm schweres Geschoss erreicht somit bei etwa 35 Meter seine Scheitelhöhe mit etwa drei Zentimeter über der Visierlinie.
Der zweite Schnittpunkt von Flugbahn und Visierlinie liegt damit zwischen 55 Meter und 60 Meter. Bei 80 Meter hat die Waffe einen Tiefschuss von etwa 10 Zentimeter und nach 100 Meter Flugbahn einen Tiefschuss von etwa 25 Zentimeter. Optional liesse sich natürlich auch die Heckler & Koch Spannmontage anbringen, wie sie seinerzeit bei der Bundeswehr für das G3 benutzt wurde.

Der Schalldämpfer

Das Herzstück der T94 SD ist der Schalldämpfer. Dieser entspricht konzeptionell dem Originaldämpfer, wie er auch serienmässig an Behördenwaffen verbaut wird. Mitte der 1970er Jahre begann Heckler & Koch mit der Entwicklung einer schallgedämpften Version der MP5. Man ging dabei den Weg eines in die Waffe integrierten Dämpfers. Zur Reinigung bzw. Instandsetzung ist der Dämpfer abschraubbar. Seine Lebensdauer wird werksseitig mit 20’000 Schuss angegeben. Abgeschraubt ist der Dämpfer 30 Zentimeter lang und hat einen Durchmesser von 40 Millimeter. Es handelt sich um einen Blendendämpfer mit vier Kammern und einer Vorkammer. Bei
Blendendämpfern dienen im Gegensatz zu Dichtscheibendämpfern massive Materialien, wie z.B. Stahl, Titan oder Aluminium, als Kammertrennstücke. An diesen Blenden wird der heisse Gasstrom sowohl abgebremst als auch abgekühlt. Wodurch die Intensität des Schussknalls vermindert wird. Blendendämpfer sind wartungsarm, haben eine hohe Lebensdauer und lassen die Geschossflugbahn verhältnismässig unbeeinflusst.
Der Lauf der T94 SD ist 15 Zentimeter lang und besitzt etwa zwei Zentimeter hinter dem Patronenlager Gasentlastungsbohrungen, über die Pulvergase entweichen können.

MKE T94SD komplette Feldzerlegung

Damit wird zum einen erreicht, dass die Anfangsgeschwindigkeit des Geschosses unter Schallgeschwindigkeit abfällt. Zum anderen werden Pulvergase, welche einen Mündungsknall verursachen könnten während des Schusszyklus schon frühzeitig in die grössere Vorkammer des Dämpfers absorbiert. Die Dämpferleistung ist sprichwörtlich und trug massgeblich zum grossen Verkaufserfolg der MP5 SD bei. Messungen mit einem Schallpegelmesser im Freien (nicht standardisiertes Messverfahren) ergaben eine Geräuschemission zwischen 69db und 73db an der Lauf- bzw. Dämpfermündung und 65db unmittelbar neben dem Auswurffenster bzw. Verschluss. Daraus ist ersichtlich, dass das Verschlussgeräusch der T94 SD nur unwesentlich leiser ist, als der eigentliche Schuss. Der Verschuss von spezieller Unterschallmunition ist bei der T94 SD nicht erforderlich.

Verschmutzung

Konstruktionsbedingt werden durch den Schalldämpfer Pulvergase in die Waffe zurückgedrückt bzw. verlassen die Waffe erst gar nicht. Das führt zu einer überdurchschnittlich starken Verschmutzung mit Pulverschmauch. Dennoch arbeitet das Verschlusssystem der T94 SD sehr zuverlässig. Fehlfunktionen des Rollenverschluss waren bei der Testwaffe nicht zu beobachten. Eine T94 kann in weniger als zwei Minuten zerlegt werden. Ein Abwischen des Verschlusses sowie eine Schnellreinigung des Patronenlagers beugen darüber hinaus etwaigen Funktionsstörungen vor.

Auf dem Schiessstand

Auf dem Schiessstand erweist sich die T94 SD als sehr angenehm. Man braucht keinen Gehörschutz. Auffällig ist, dass der Geschosseinschlag in einem Kugelfang aus Stahlblech wesentlich lauter ist, als der Schuss selbst. Aufgelegt auf einen Sandsack produziert die Waffe auf 25 Meter Schussgruppen von drei bis vier Zentimeter. Bei einer Entfernung von 50 Meter öffnen sich die Gruppen auf etwa zwölf Zentimeter.

Fazit

Schalldämpfer als auch Rollenverschluss aus dem Hause Heckler & Koch sind zwei Meilensteine der Waffengeschichte vereint in einer Waffe. Die MKE T94 SD wird somit zu einem interessanten Objekt für Waffensammler. Die Zivilversion der legendären MP5 SD hat ein identisches Aussehen und steht ihrer Behördenschwester auch in punkto Zuverlässigkeit in nichts nach.